Grüner Neuanfang: Stengele und Denstädt vereidigt
Doreen Denstädt ist im Thüringer Landtag als neue Justizministerin und Bernhard Stengele als neuer Umweltminister vereidigt worden. Die beiden Grünen-Politiker legten den Amtseid am Mittwoch ohne den Zusatz «so wahr mir Gott helfe» ab. Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) sagte, Denstädt sei eine erfahrene Vertreterin aus dem Polizeidienst. «Mit Herrn Stengele haben wir einen erfahrenen Politiker, der allerdings in internationalen Projekten auch als Künstler sehr stark tätig war», sagte der Regierungschef kurz vor der Vereidigung. Zuvor hatten Stengele und Denstädt ihre Ernennungsurkunden erhalten.
Stengele folgt an der Spitze des Ministeriums für Umwelt, Energie und Naturschutz Anja Siegesmund, die kurz vor Weihnachten ihren Rückzug aus der Landespolitik angekündigt hatte. Denstädt übernimmt das Ministerium für Migration, Justiz und Verbraucherschutz, das bis Anfang Januar von Dirk Adams geführt wurde. Adams wurde auf Drängen seiner Partei entlassen.
Die bisherige Leiterin der Polizeivertrauensstelle, Meike Herz, wurde zur neuen Staatssekretärin im Justizministerium bestimmt. Sie ist Volljuristin wie schon ihr Vorgänger, Sebastian von Ammon. Damit gibt es eine Art Rollentausch: Herz war in der Polizeivertrauensstelle bisher die Chefin von Denstädt - im Justizministerium wird sie als Staatssekretärin unter ihr arbeiten.
Die Personalrochade ist ein Neuanfang beim Regierungspersonal der Thüringer Grünen. Gerade Siegesmund gehörte zu den bekannteren Politikerinnen ihrer Partei in Thüringen. Auch Adams war durch seine langjährige Arbeit als Grünen-Fraktionschef und später als Justizminister vielen bekannt.
Stengele stammt aus dem Allgäu (Baden-Württemberg) und ist von Beruf Schauspieler und Regisseur. Zwischen 2012 und 2017 war er Schauspieldirektor am Theater Altenburg Gera, kehrte dann vorübergehend nach Baden-Württemberg zurück. Anfang 2020 wurde Stengele zusammen mit Ann-Sophie Bohm Landessprecher der Thüringer Grünen. Der 59-Jährige ist seit dem Jahr 2017 Mitglied der Grünen.
Denstädt ist in Thüringen geboren und aufgewachsen. Sie war zuletzt Sachbearbeiterin in der Vertrauensstelle der Polizei. Die 45-Jährige ist Polizeihauptkommissarin und Verwaltungswirtin (FH).
Die Opposition hatte die Personalentscheidungen der Grünen kritisiert und fehlende Qualifikationen bemängelt. Die Thüringer CDU-Fraktion forderte am Mittwoch von Stengele, den Fokus auf Energiepolitik zu legen. «Entscheidend ist, dass die öffentliche Inszenierung der persönlichen Karriereplanung grüner Minister jetzt schnell zu Gunsten konkreter Sachpolitik in den Hintergrund tritt», sagte der energiepolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Thomas Gottweiss. Der justizpolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Stefan Schard, erneuerte seine Kritik an der Neubesetzung des Justizministeriums. «Leider hat die neue Ministerin in ihrer bisherigen beruflichen Laufbahn weder Führungserfahrung noch tiefergehende juristische Kenntnisse erwerben können», sagte Schard. Jeder verdiene eine Chance, sich zu bewähren. «Aber was Frau Denstädt für ihr neues Amt auszeichnen soll, wissen wohl nur die Grünen.»
Die Opferberatungsstelle Ezra hofft durch den Wechsel im Justizministeriums auf Reformen im Bereich der Strafverfolgung von rechtsmotivierter Gewalt und Opferschutz. «Mit Frau Denstädt zieht eine Expertise in das Haus ein, die unter anderem aufgrund ihrer Arbeit in der Polizeivertrauensstelle einen umfangreichen und kritischen Einblick in verschiedene Bereiche des Strafverfahrens auch aus der Betroffenenperspektive mit sich bringt», teilte die Beratungsstelle für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt in Thüringen mit. Ein wichtiger erster Schritt wäre aus Sicht von ezra die Schaffung einer Schwerpunktstaatsanwaltschaft Hasskriminalität.
Grünen-Chefin Ann-Sophie Bohm sagte, Denstädt und Stengele würden mit «viel frischem Wind und neuer Entschlossenheit die anstehenden Herausforderungen im Bereich Klima, Umwelt und Energie sowie Justiz, Migration und Verbraucherschutz angehen». Für den Freistaat handele es sich um zukunftsentscheidende Themenbereiche.
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