Gericht sagt Nein: Thüringen bleibt auf Kali-Kosten sitzen
Es war die vorletzte Chance für Thüringen, seine hohen jährlichen Sanierungskosten für Umweltaltlasten vor allem aus dem DDR-Kalibergbau zu drücken: Eine Klage vor dem Bundesverfassungsgericht, mit der eine Beteiligung des Bundes erreicht werden sollte. Doch die Klage blieb erfolglos. Die Verfassungsrichter in Karlsruhe verwarfen Thüringens Antrag nach Angaben vom Mittwoch als unzulässig.
Das galt auch für einen Antrag aus Sachsen ebenfalls zum Finanzierungsstreit mit dem Bund zu Sanierungskosten für Umweltschäden ehemaliger DDR-Staatsbetriebe, die nach der Wiedervereinigung von der Treuhandanstalt verwaltet wurden.
Minister hofft auf letzte Chance
«Das Bundesverfassungsgericht hat leider nicht bestätigt, dass die Kosten für die Beseitigung von Altlasten der ehemaligen Treuhandunternehmen aufgrund der Verfassung vom Bund finanziert werden müssen», erklärte Thüringens Umweltminister Bernhard Stengele (Grüne) in Erfurt. «Wir setzen weiter auf das Verfahren beim Bundesverwaltungsgericht.»
Die Landesregierung hatte 2020 zusätzlich eine verwaltungsgerichtliche Klage in der obersten Instanz eingereicht - bei den Verwaltungsgerichten in Thüringen war sie mit ihrer Forderung, den Bund stärker an den Millionenkosten zu beteiligen, gescheitert. Über die Klage beim Bundesverwaltungsgericht ist noch nicht entschieden.
«Es ist eine juristische, aber auch eine politische Frage, ob der Bund uns mit den unerwarteten Mehrkosten der Umweltaltlasten allein lässt. Ich werde mich weiterhin dafür einsetzen, dass der Bund in die Finanzierung der Bergbaufolgelasten einsteigt», erklärte der Minister. «Die ökologischen Folgekosten des DDR-Bergbaus und der sonstigen ehemaligen DDR-Staatsbetriebe können aus unserer Perspektive nicht nur Sache des Landes alleine sein.»
Kosten liegen bereits bei 750 Millionen Euro
Nach einem Generalvertrag von 1998 zwischen Thüringen und der Treuhand-Nachfolgerin, der Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben, hatte der Bund laut Ministerium seine Finanzierungspflichten pauschal abgegolten. Seitdem verweigere er weitere Zahlungen, obwohl die tatsächlichen Sanierungskosten die damals prognostizierten und dem Vertrag zugrunde gelegten Kosten - rund 675 Millionen Euro - bereits überstiegen hätten. Derzeit liege der Betrag bei rund 750 Millionen Euro. Dabei geht es vor allem um die Zahlungen Thüringens an den Kali-Konzern K+S (Kassel) für die Sicherung stillgelegter Kali-Gruben in Thüringen.
Richter bewerten Anträge als unzureichend
Nach Angaben des Bundesverfassungsgericht legten Thüringen und auch Sachsen nicht hinreichend dar, dass sie befugt waren, solche Anträge zu stellen. Sie hätten auch keine verfassungsrechtliche Pflicht der Bundesrepublik Deutschland aufgezeigt, zukünftige Kosten für die Altlastensanierung (anteilig) zu tragen. Eine solche Pflicht sei weder im Hinblick auf das Grundgesetz noch auf ungeschriebene Verfassungsgrundsätze dargelegt, entschied der Zweite Senat in Karlsruhe (Az. 2 BvG 1/19 und 2 BvG 1/21).
Hintergrund ist, dass die Treuhand in vielen Fällen mit Investoren Haftungsfreistellungen für DDR-Umweltschäden vereinbart hatte, so auch mit dem Kasseler Kali-Konzern.
Weil in Sachsen und Thüringen der Sanierungsaufwand den geschätzten Kostenrahmen überstieg, wollen die beiden Freistaaten nachverhandeln. Aufseiten des Bundes sind heute das Bundesfinanzministerium und die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben zuständig. Sie lehnen nach weiteren Angaben des Gerichts Nachverhandlungen ab.
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