Frauenarzt über Cannabis: Größeres Risikobewusstsein
Die geplante Legalisierung von Cannabis wird einem Gynäkologen zufolge nicht zu einem sprunghaft steigenden Konsum bei Schwangeren führen. Es gebe bei Cannabis-Konsum in der Schwangerschaft ein größeres Risikobewusstsein als etwa beim Rauchen, sagte der Leiter der Klinik für Geburtsmedizin am Uniklinikum Jena, Ekkehard Schleußner, der Deutschen Presse-Agentur vor Beginn des Thüringer Gynäkologentages am Samstag in Weimar.
«Wir müssen nicht Panik haben», betonte der Mediziner. «Es ist nicht zu erwarten, dass plötzlich alle anfangen zu kiffen.» Es gebe bei dem Thema sowohl Horrorszenarien als auch Bagatellisierungen - aber noch zu wenig Wissen. In Deutschland seien die Auswirkungen und das Ausmaß von Cannabis während der Schwangerschaft bislang kaum wissenschaftlich untersucht worden, belastbare Daten fehlten.
US-amerikanische Untersuchungen belegten jedoch, dass der regelmäßige Cannabis-Konsum unter anderem ähnliche Risiken für das werdende Kind berge wie bei starken Raucherinnen, so Schleußner. Die Inhaltsstoffe der Cannabisdroge gelangten über die Plazenta in den fetalen Kreislauf und könnten die vorgeburtliche Entwicklung stören.
Damit einher gingen etwa ein vermindertes Wachstum des Fötus, ein niedrigeres Geburtsgewicht und vermehrte Frühgeburten. Wahrscheinlich habe Cannabis allein eine geringe Auswirkung, sagte Schleußner. Das eigentliche Problem sei, dass Cannabis ganz häufig gemeinsam mit Alkohol oder mit Nikotin genutzt werde. Diese Kombination verstärke die Wirkungen von zum Beispiel Alkohol auf die Gehirnentwicklung des werdenden Kindes.
Nach älteren Daten der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung liege bei Cannabis die Häufigkeit von Missbrauch oder Abhängigkeit in der erwachsenen Bevölkerung bei einem Prozent, sagte Schleußner. In den USA rauchten rund fünf Prozent der Frauen zu Beginn der Schwangerschaft und noch 1,5 Prozent am Ende der Schwangerschaft Marihuana.
Ein vom Bundeskabinett auf den Weg gebrachter Gesetzentwurf sieht vor, Cannabis im Betäubungsmittelgesetz von der Liste der verbotenen Substanzen zu streichen. Für Volljährige ab 18 Jahren soll der Besitz von 25 Gramm erlaubt werden. Privat sollen maximal drei Pflanzen angebaut werden dürfen.
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