Raymond Walk (CDU) spricht., © Martin Schutt/dpa/Archivbild
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Forderungen nach mehr Personal für Verfassungsschutz

20.07.2023

Mehr Abfragen und neue Aufgaben: Nach Ansicht der Thüringer CDU-Fraktion sollte der Verfassungsschutz für seine Arbeit mehr Ressourcen bekommen. «Der Verfassungsschutz arbeitet am Limit», sagte Raymond Walk der Deutschen Presse-Agentur in Erfurt. Die Behörde brauche mehr Personal. Statt der bisher 105 vorgesehenen Stellen, sollten es seiner Einschätzung nach 130 bis 140 sein.

Es seien etliche Aufgaben hinzugekommen - etwa im Bereich Spionageabwehr im Zuge des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine. Außerdem ergebe sich durch die Einstufung der Thüringer AfD als gesichert rechtsextreme Bestrebung zusätzliche Arbeit für die Behörde. Walk ist Mitglied der Parlamentarischen Kontrollkommission (ParlKK), die den Verfassungsschutz kontrolliert.

Zugleich sei es in anderen Bereichen nicht unbedingt weniger Arbeit geworden. Der Islamismus sei medial zwar aus dem Fokus geraten. Es gebe aber weiterhin eine hohe abstrakte Gefährdung. «Das betrifft nicht nur Deutschland, das betrifft auch Thüringen», sagte Walk.

Ein Ausbau des Thüringer Verfassungsschutzes gilt im Freistaat als politisch umstritten. Die Linke will die Behörde am liebsten auflösen. Die AfD, die vom Verfassungsschutz beobachtet wird, will ihn ebenfalls in seiner jetzigen Form loswerden.

Die Grünen-Innenpolitikerin Madeleine Henfling stellte in Frage, ob der Verfassungsschutz in seiner jetzigen Form richtig konzipiert sei. «Ich bin sehr dafür, die Ressourcen zu stellen, um die Analysefähigkeit des Staates und des Innenministeriums zu stärken. Ob es jetzt der Verfassungsschutz sein muss - da habe ich ein großes Fragezeichen», sagte Henfling.

Nach Angaben des Thüringer Innenministeriums sind im aktuellen Haushaltsplan 105 Stellen für das Amt des Verfassungsschutzes ausgewiesen. Walk wies darauf hin, dass nicht alle Stellen besetzt sind, wie viele genau, will das Innenministerium «aus Geheimschutzgründen» nicht öffentlich mitteilen.

Nach Ministeriumsangaben sei die Stellenzahl beim Verfassungsschutz über Jahre hinweg konstant geblieben. Im Haushaltsjahr 2021 habe es eine einen Zuwachs um acht Stellen gegeben. «Auch für das Haushaltjahr 2024 wurde im Rahmen der Haushaltsaufstellung eine Aufstockung der Stellenanzahl für das Amt für Verfassungsschutz beantragt», heißt es vom Innenministerium. FDP-Innenpolitiker Dirk Bergner sagte, Aufgaben und Befugnisse des Verfassungsschutzes seien gesetzlich klar geregelt. «Dafür ist die Behörde auch entsprechend personell ausgestattet. Einen Blankoscheck für ein Aufstocken kann es nicht geben.» Wünsche nach mehr Personal müssten detailliert begründet werden, um sie seriös bewerten zu können.

Schon in ihrem Bericht vom vergangenen Jahr wies die Kontrollkommission darauf hin, dass «gerade die neue Aufgabe der Mitwirkung bei der Überprüfung der waffenrechtlichen Zuverlässigkeit» den Personalbedarf verdeutliche. Ähnlich äußerte sich das Innenministerium. Hintergrund ist eine 2020 neu eingeführte Regelung, dass Waffenbehörden für jede Waffenerlaubnis beim Verfassungsschutz abfragen müssen, ob der Antragsteller als Extremist aufgefallen ist. Wer Mitglied in einer extremistischen Partei ist, könnte als unzuverlässig gelten - und die Waffenerlaubnis ihm verwehrt bleiben. Die Thüringer AfD wurde im März 2021 als erwiesen rechtsextrem eingestuft.

Zwischen Anfang 2022 und April 2023 wurden gegen 77 Personen Verfahren zum Entzug einer solchen Waffenerlaubnis eingeleitet, wie aus einer Antwort des Innenministeriums auf eine Kleine Anfrage des AfD-Abgeordneten Ringo Mühlmann hervorgeht. In 32 Fällen hatten die Personen einen sogenannten Kleinen Waffenschein, der beispielsweise für Schreckschuss- oder Reizstoffwaffen nötig ist. «In 66 Fällen sind von den Verfahren Mitglieder und ehemalige Mitglieder der AfD beziehungsweise Unterstützer der AfD betroffen», heißt es in der Antwort.

Walk sieht aber auch noch mehr Arbeit auf die Behörde zukommen - etwa im Zuge der Kommunalwahl 2024. Wahlausschüsse sollen die Möglichkeit haben, sich per Hotline an den Verfassungsschutz zu wenden, wenn es bei einer Kandidatin oder einem Kandidaten Zweifel an der Verfassungstreue gibt. Laut Ministerium rechne man mit einem höheren Aufkommen solcher Anfragen.

Zuletzt arbeitete der Verfassungsschutz auch Informationen bei der Überprüfung des AfD-Landrats Robert Sesselmann zu. Weil die Thüringer AfD als gesichert rechtsextrem eingestuft wurde und beobachtet wird, wurde Sesselmanns Verfassungstreue überprüft - von Rechts wegen. Zuständig war das Landesverwaltungsamt. Dieses kam zum Schluss, bei Sesselmann seien derzeit keine konkreten Umstände zu sehen, «die von hinreichendem Gewicht und objektiv geeignet sind, eine ernsthafte Besorgnis an dessen künftiger Erfüllung der Verfassungstreuepflicht auszulösen».

© dpa-infocom, dpa:230720-99-465872/4

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