Falsche Atteste: Durchsuchungen nach Verdacht gegen Ärztin
Im Rahmen der Ermittlungen gegen eine sächsische Ärztin hat die Polizei 84 Objekte in mehreren Bundesländern durchsucht. Es bestehe der Verdacht, dass die Frau im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie falsche Gesundheitszeugnisse ausgestellt habe, teilte die Polizei in Dresden am Freitagmorgen mit. Insgesamt 225 Beamte seien an der Aktion am Donnerstag in Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen und Brandenburg, Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Hamburg beteiligt gewesen. Die Frau ist nach Angaben aus Ermittlerkreisen im Raum Dresden ansässig.
Die Ärztin stehe im Verdacht, «unrichtige Gesundheitszeugnisse» ausgestellt zu haben, heißt es in der Mitteilung. In Gefälligkeitsattesten seien unter anderem Unverträglichkeiten beim Tragen einer medizinischen Maske oder ein unbegrenztes Impfverbot bescheinigt worden. Für die Atteste soll die Ärztin Geld verlangt und damit etwa 60.000 Euro eingenommen haben. Die Durchsuchung der Wohn- und Geschäftsräume der Beschuldigten erfolgte demnach bereits im März 2022, die Auswertung dauere an. Bei den Durchsuchungen am Donnerstag wurden insgesamt 317 mutmaßlich unrichtige Atteste sichergestellt.
Die neuerlichen Durchsuchungen richten sich laut Mitteilung gegen Unterstützer der Ärztin oder Menschen, die das Angebot in Anspruch genommen haben sollen. Aufgrund der bisher gewonnen Erkenntnisse sei davon auszugehen, dass die Beschuldigte in mehreren Bundesländern agiert habe. Sie soll Sammeltermine durchgeführt haben, bei denen sie auf Bestellung «im Minutentakt gegen Zahlung in Höhe von mindestens 25 Euro» Atteste aushändigte, erklärten die Beamten. Unter anderem Heilpraktiker und Bestattungshäuser hätten der Frau gegen Gewinnbeteiligung ihre Räumlichkeiten zur Verfügung gestellt und die Organisation der Termine und die Weiterleitung der Bestellungen übernommen.
Die Polizeidirektion hat nach eigenen Angaben aufgrund des schieren Umfangs der Ermittlungen eine eigene Ermittlungsgruppe «Atteste» gegründet. Diese kümmert sich auch um die vielen Folgeverfahren, die gegen die Inhaber der Atteste sowie gegen die Organisatoren der Sammeltermine zu führen sind. Ermittelt wird in dem Zusammenhang auch gegen vier Bedienstete der Polizei Sachsen, die sich mutmaßlich unrichtige Atteste ausstellen ließen.
Grundsätzlich würden nun dienstrechtliche Verfahren geprüft, teilte die sächsische Landespolizei am Freitag auf Anfrage mit. «Bei Vorliegen der Voraussetzungen wird ein Disziplinarverfahren eingeleitet, in welchem aufgeklärt wird, ob ein Beamter ein Dienstvergehen begangen hat.» Sollte dies der Fall sein, könne eine Disziplinarmaßnahme ausgesprochen werden. Die möglichen Konsequenzen reichen demnach vom Verweis bis zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis.
Der Fall ist nicht der erste dieser Art. Immer wieder wurden während der Pandemie Ermittlungen gegen Ärzte aufgenommen, die falsche Gesundheitszeugnisse ausgestellt haben sollen. Im Frühjahr 2022 durchsuchte die Polizei beispielsweise dutzende Wohnungen in ganz Deutschland: Mehr als 90 Menschen aus dem gesamten Bundesgebiet sollen von einem Arzt aus dem Kreis Tübingen gefälschte Corona-Impfnachweise bekommen haben.
Nach Angaben der sächsischen Landesärztekammer gab es 120 ähnliche Vorgänge im Freistaat mit 59 betroffenen Ärzten. «Die bisher von uns durch Strafanzeige initiierten oder durch die Polizei Dresden bekannt gewordenen Strafverfahren sind bisher immer eingestellt worden», sagte der Präsident der Sächsischen Landesärztekammer, Erik Bodendieck. Gegen die beschuldigte Ärztin werde ein berufsgerichtliches Verfahren so lange ausgesetzt wie ein Strafverfahren anhängig ist.
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