«Kreisstadt Hildburghausen» steht auf dem Ortseingangsschild., © Martin Schutt/dpa-Zentralbild/dpa
  • Nachrichten

Experte gegen Regelabfrage beim Geheimdienst

21.04.2024

In Thüringen will ein Neonazi Landrat werden und AfD-Kandidaten streben nach Bürgermeisterämtern: Nach Ansicht des Bochumer Politikwissenschaftlers Oliver Lembcke haben Extremisten in Wahlämtern nichts zu suchen. «Rechtsextreme haben an keiner Stelle verantwortungsvolle Funktionen zu übernehmen - weder als Landrat noch als Lehrer», sagte der Politologe der Deutschen Presse-Agentur in Erfurt. Dennoch warnte der Experte vor einer Regelabfrage von Kandidatinnen und Kandidaten beim Verfassungsschutz.

Die AfD wird in Sachsen, Sachsen-Anhalt und in Thüringen von den Landesverfassungsschutzämtern als gesichert rechtsextrem eingestuft und beobachtet. Nach Ansicht von Lembcke wäre es aber «hochproblematisch», daraus den Schluss zu ziehen, dass damit automatisch alle Mitglieder dieser Landesverbände Rechtsextremisten seien. «Ich glaube, das wird ein riesiges Problem bei der gerichtlichen Nachprüfung werden», sagte er.

In Thüringen werden am 26. Mai etliche Landräte, Oberbürgermeister sowie flächendeckend die Gemeinde- und Stadträte gewählt. Auch Bürgermeister und Ortsteil- oder Ortschaftsbürgermeisterwahlen stehen vielerorts an. Im Landkreis Hildburghausen will ein bundesweit bekannter Neonazi als Landrat kandidieren. In Erfurt geht für die AfD Stefan Möller ins Rennen um das Amt des Oberbürgermeisters der Landeshauptstadt. Möller ist neben Björn Höcke Co-Chef der Thüringer AfD.

Am Dienstag entscheiden im Freistaat vielerorts die Wahlausschüsse, welche Kandidaten bei den Kommunalwahlen zugelassen werden - so auch im Kreis Hildburghausen und in der kreisfreien Stadt Erfurt. Im Thüringer Kommunalwahlgesetz steht, dass zum Landrat oder Bürgermeister nicht gewählt werden kann, «wer nicht die Gewähr dafür bietet, dass er jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes und der Landesverfassung eintritt». Hat ein Wahlausschuss einen Kandidaten zugelassen, kommt es auch zur Wahl. In anderen Bundesländern kann teils noch die Kommunalaufsicht eingreifen, in Thüringen wollte das Innenministerium eine ähnliche Regelung auf den Weg bringen, es zeichnete sich aber keine politische Mehrheit dafür ab.

Schon vor Monaten hat das Innenministerium einen Handlungsleitfaden für Wahlleiter an die Kommunen verschickt. Dort steht, dass es Aufgabe des jeweiligen Wahlleiters sei, Auskünfte bei Behörden wie dem Landesverfassungsschutz einzuholen, wenn ein Bewerber im Verdacht stehe, nicht die persönliche Eignung für ein Bürgermeisteramt mitzubringen.

«Der Staat muss verhindern, dass er von Leuten, die den Staat abschaffen wollen, unterwandert wird und dass diese schleichend die Macht übernehmen», sagte Lembcke, der an der Friedrich-Schiller-Universität Jena promoviert und etliche Jahre in Thüringen gelebt hat. Das gelte auch für Wahlämter in den Kommunen. Die AfD bestehe aber nicht ausschließlich aus Anhängern des «Flügels», einer von Höcke gegründeten und inzwischen formal aufgelösten Strömung innerhalb der Partei. Es sei stets eine Einzelfallprüfung nötig. Er warne vor einer strukturellen Regelabfrage.

Lembcke hält auch Ängste in der Politik für berechtigt, dass der Eindruck entstehen könnte, man wolle aussichtsreiche Politiker einer Oppositionspartei verhindern. Ein solcher Eindruck würde auf die Erzählung der AfD einzahlen. Scheiterten dann die erwartbaren Gerichtsverfahren, wäre ein «furchtbarer Schaden» angerichtet, so Lembcke. Stattdessen plädierte der Experte dafür, offenzulegen, dass das Personal der AfD gerade in Thüringen und bei den Kommunalwahlen mitunter einfach schlecht sei und teils die öffentliche Auseinandersetzung scheue.

© dpa-infocom, dpa:240421-99-752112/2

Teilen: