Ein Lehrer steht im Unterricht an der Tafel., © Marijan Murat/dpa/Symbolbild
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Diskussion um Schulgesetz: Lehrerausbildung als Reizthema

15.12.2022

Thüringens Bildungsminister Helmut Holter hat die Pläne von Rot-Rot-Grün für eine erneute Reform des Schulgesetzes verteidigt. «Gehen wir den Weg in die Schule der Zukunft, oder gehen wir den Weg in die Schule der Vergangenheit?», fragte der Linke-Politiker am Donnerstag im Landtag in Erfurt. Es handele sich bei den Vorschlägen der Koalition um einen «Gesetzentwurf der Modernität».

Die Fraktionen von Linke, SPD und Grünen hatten ein umfassendes Reformpaket zum Bildungssystem ins Parlament eingebracht. Es wäre die zweite große Reform des Schulwesens binnen weniger Jahre. Die Vorschläge wurden nun in erster Lesung im Landtag beraten und in den Bildungsausschuss überwiesen.

Das Paket sieht unter anderem vor, die Abschlussprüfung an Gymnasien in der zehnten Klasse abzuschaffen, die Lehrerausbildung grundlegend zu reformieren, einen durchgehenden Praxisbezug an Regelschulen und eine Rechtsgrundlage für digitalen Unterricht zu schaffen. Auch die Entwicklung von Gemeinschaftsschulen will Rot-Rot-Grün forcieren.

Teils sollen die geplanten Änderungen auch den Lehrermangel und die erhöhte Belastung an den Schulen abmildern. Holter räumte ein: «Der Unterrichtsausfall ist in Thüringen viel zu hoch.» Eine Erhebung zwischen dem 26. und 30. September hatte kürzlich ergeben, dass in dieser Woche fast jede zehnte Unterrichtsstunde an Thüringer Schulen ausfiel. Holter nannte als Gründe für den Lehrermangel im Freistaat Versäumnisse früherer Regierungen und die demografische Entwicklung. «Wir müssen in Thüringen jetzt sofort zwei Lehrergenerationen ersetzen», sagte er. Das Land habe einen Exodus an Lehrkräften erlebt. «Das ist eine Verantwortung, die in der Vergangenheit liegt.»

Rot-Rot-Grün will Lehrer künftig nicht mehr nach Schularten ausbilden, sondern bezogen auf Schulstufen. Die Idee dahinter ist, dass Lehrerinnen und Lehrer dann flexibler dort eingesetzt werden können, wo sie gebraucht werden - zum Beispiel Gymnasiallehrer an Regelschulen, wo der Mangel an Personal besonders groß ist. Linke-Bildungspolitiker Torsten Wolf rechnete vor, dass derzeit in Thüringen im ersten Semester nur 162 Studierende für das Regelschullehramt eingeschrieben seien, für das Gymnasiallehramt hingegen 1176. Auch nannte er das Beispiel Physik: Für Gymnasien seien 34 Erstsemester für dieses Lehramtsfach eingeschrieben, für Regelschulen nur einer. Jeder, dem die Regelschulen am Herzen lägen, sollte dem Vorschlag sofort zustimmen, sagte Wolf.

Holter betonte, man müsse eine demografische Lücke schließen, könne dies aber nicht nur mit Absolventinnen und Absolventen der Universitäten erreichen. Daher brauche es beispielsweise auch mehr Quer- und Seiteneinsteiger.

Die Opposition sieht viele Punkte im Entwurf kritisch, die seit langem von Rot-Rot-Grün gehegten Pläne zur Umgestaltung der Lehrerausbildung gelten der Union als Reizthema. Die Christdemokraten wollen an der Ausbildung nach Schularten festhalten.

CDU-Fraktion und FDP-Gruppe hatten eigene Vorschläge zur Änderung des Schulgesetzes eingebracht. Die FDP-Bildungspolitikerin Franziska Baum signalisierte, dass ihre Fraktion auch für eine rechtliche Grundlage des digitalen Unterrichts sei. Grünen-Fraktionsvorsitzende Astrid Rothe-Beinlich machte das Angebot einer «ernst gemeinten Suche nach Schnittmengen».

CDU-Bildungspolitiker Christian Tischner holte zu einer langen, generellen Kritik am Kurs der Landesregierung in der Bildungspolitik aus. Für Lehrerinnen und Lehrer seien in den vergangenen Jahren sehr viele Aufgaben hinzugekommen. Der Schulgesetzentwurf von Rot-Rot-Grün berücksichtige die Wirklichkeit an den Schulen in Thüringen nicht. «Ihr Schulgesetzentwurf belastet die Schulen zusätzlich», sagte Tischner. Zudem sei es kein großer Wurf zur Steigerung der Attraktivität des Lehramtes. Er warf Rot-Rot-Grün vor, die Lehramtsausbildung in Thüringen schleifen zu wollen. «Sie machen das Lehramtsstudium in Thüringen bundesweit noch unattraktiver», sagte Tischner. Außerdem würde es sich um einen föderalistischen Alleingang handeln.

© dpa-infocom, dpa:221215-99-911106/3

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