Debatte über Arbeitszeitverkürzung in der Pflege angelaufen
Der Vorstoß von SPD-Gesundheitspolitikerin Cornelia Klisch zur Reduzierung der Arbeitszeit in der Pflege auf bis zu 30 Stunden pro Woche ist bei den Trägern von Pflegeeinrichtungen auf offene Ohren gestoßen. «Der Vorschlag klingt grundsätzlich sympathisch und wir begrüßen alle Bemühungen für noch bessere Arbeitsbedingungen in der Pflege», sagte Margit Benkenstein, Landesvorsitzende des Bundesverbandes privater Anbieter sozialer Dienste in Thüringen. Ähnlich äußerten sich die Arbeiterwohlfahrt und der Landesverband der Volkssolidarität. Probleme sehen sie allerdings bei der Umsetzung.
Benkenstein verwies unter anderem darauf, dass die Branche unter erheblichem Fachkräftemangel leide, auch wenn allein in Thüringen jährlich rund 1000 Mitarbeiter zusätzlich in der Pflege eingestellt würden. Hinzu komme, dass ab dem kommenden Jahr Pflegeheime ihr Personal aufstocken müssten, um dem neuen bundesweiten Personalschlüssel gerecht zu werden.
Anne Osterland von der Arbeiterwohlfahrt erklärte, es würden flächendeckende Antworten wie ein Branchentarifvertrag gebraucht, um den Pflegeberuf auf Dauer attraktiv zu machen. «Man muss sich aber immer im Klaren sein, was eine Arbeitszeitreduzierung bedeuten kann. Das kann sein: Arbeitsverdichtung - was zuvor in 40 Stunden erledigt wurde, muss nun in 35 Stunden passen.»
Auch Matthias Wilfsroth, Landesgeschäftsführer der Volkssolidarität Thüringen, äußerte, dass die Verringerung der Wochenarbeitszeit in keiner Weise bei der Linderung des Personalmangels im Pflegebereich helfe, «im Gegenteil. Aktuell würde der hierdurch entstehende Mehrbedarf nicht zu decken sein und die Versorgung der Patienten gefährden», meinte er. Zu dem von Klisch genannten Lösungsansatz sehe die Volkssolidarität aktuell keinerlei Chancen auf eine Umsetzung in der Praxis.
Benkenstein zufolge ist die Frage nach der Finanzierung auch noch nicht geklärt. «Da die Pflegeversicherung lediglich eine Teilkaskoversicherung ist, bedeutet eine Arbeitszeitreduzierung bei vollem Lohnausgleich erhebliche Steigerungen der Selbstbeteiligung für Pflegebedürftige und Angehörige.»
Osterland unterstrich, dass Neueinstellungen für eine Arbeitszeitreduzierung notwendig seien. «Nun ist die demografische Situation in Thüringen so, dass wir immer mehr Pflegebedürftige und generell ältere Menschen und perspektivisch immer weniger Berufstätige, auch in der Pflege, haben.» Durch sinkende Geburtenzahlen fehle auf der anderen Seite der Nachwuchs.
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