«Bürgergeld» steht auf der Homepage des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales., © Karl-Josef Hildenbrand/dpa/Symbolbild
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Bürgergeld: Thüringen gegen Vermittlungsausschuss

09.11.2022

In der Debatte um die Einführung eines Bürgergeldes in Deutschland will Thüringen die mögliche Anrufung des Vermittlungsausschusses von Bundesrat und Bundestag nicht unterstützen. Mit dem Vorhaben, die Einführung des Bürgergeldes in dieses Gremium zu überweisen, wolle die Union vor allem den Eindruck erwecken, in Deutschland werde sich Arbeit demnächst nicht mehr lohnen, sagte Staatskanzleiminister Benjamin-Immanuel Hoff (Linke) am Mittwoch im Landtag. Das gehe weit an der Realität vorbei.

Das Bürgergeld soll zum 1. Januar die bisherige Grundsicherung Hartz IV ablösen. Vorgesehen ist, dass der Regelsatz von heute 449 auf 502 Euro steigt, dass Arbeitslose vom Jobcenter weniger durch angedrohten Leistungsentzug (Sanktionen) unter Druck gesetzt und Weiterbildungsmaßnahmen stärker unterstützt werden. Zudem sollen Vorgaben zur erlaubten Vermögenshöhe und zur Wohnungsgröße bei Leistungsbeziehern gelockert werden.

Tatsächlich sei es an der Zeit, das Hartz-IV-System zu überwinden, argumentierte Hoff. Menschen, die von Hartz-IV leben müssten, hätten in den vergangenen Jahren gravierende Erfahrungen von Ausgrenzung und Stigmatisierung gemacht. Die Landesregierung habe vor diesem Hintergrund kein Interesse an einem Vermittlungsverfahren im Bundesrat, das mehr Respekt für die Lebensleistung dieser Menschen verhindern solle.

CDU und CSU versuchen seit Wochen, die Einführung des Bürgergeldes zu verhindern, wie es die Ampel-Koalition im Bund plant. Weil die Union das Vorhaben im Bundestag nicht stoppen kann, hat sie zuletzt damit gedroht, dessen geplante Einführung zum Jahreswechsel über den Bundesrat zu verhindern. Der Bundesvorsitzende der CDU, Friedrich Merz, hatte jüngst erklärt, die Einführung des Bürgergeldes werde «in den Vermittlungsausschuss gehen», da sie sehr wahrscheinlich keine Zustimmung in der Länderkammer finden werde.

Scheitert das Gesetz nach der Bundestagsabstimmung im Bundesrat, müssten beide Seiten einen Kompromiss im Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat finden. Das könnte den Zeitpunkt der Einführung des Bürgergelds ins Wackeln bringen.

Während der Landtagsdebatte erneuerte die Thüringer CDU ihre Kritik an den Ampel-Plänen. Mit dem Bürgergeld solle eine Art bedingungsloses Grundeinkommen geschaffen werden, sagte der CDU-Landtagsabgeordnete Christian Herrgott. Dabei sei es lebensfremd, daran zu glauben, dass alle arbeitslosen Menschen schon irgendwann, irgendwie einen Job bekommen wollten.

Dagegen warben Vertreter von Rot-Rot-Grün für die Einführung des Bürgergeldes. «Mit dem Bürgergeld wird eine neue Kultur des Vertrauens geschaffen», sagte der SPD-Sozialpolitiker Denny Möller. «Das Ziel ist Augenhöhe, das ist die Grundlage von Respekt.» Menschen, die von Armut bedroht seien, müssten nach Einführung des Bürgergeldes anders als im Hartz-IV-System nicht mehr fürchten, den bescheidenen Wohlstand zu verlieren, den sie sich in den vergangenen Jahrzehnten vielleicht aufgebaut hätten.

Auch die Linke-Abgeordnete Karola Stange warb grundsätzlich für das Ampel-Vorhaben, obwohl ihre Partei nicht an der Regierungskoalition im Bund beteiligt ist. Zwar sei das geplante Bürgergeld nur ein kleiner Wurf, sagte sie. Es sei aber ein richtiger Schritt, um das Harzt-IV-System zu reformieren.

© dpa-infocom, dpa:221109-99-454801/2

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