Bündnis «Weltoffenes Thüringen»: Rechtsruck die Stirn bieten
Angesichts des Erstarkens der AfD in Thüringen haben sich mehr als 3400 Akteure zum Bündnis «Weltoffenes Thüringen» zusammengeschlossen. «Man kann es sich in diesen Tagen nicht mehr leisten, neutral zu bleiben», sagte Jenas Oberbürgermeister Thomas Nitzsche (FDP) bei der Vorstellung der Initiative am Donnerstag. Auch Spitzenvertreter aus Thüringer Unternehmen, den Gewerkschaften, der Kirche, dem Sport, den Wohlfahrtsverbänden, Kunst und Kultur und der Wissenschaft beteiligten sich an dem ersten Treffen in Jena.
Auch Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) unterstützt die Initiative. «Wir wollen auf die Weltmärkte mit Thüringer Produkten. Und wir sind es leid, dass auf der Welt über Thüringen seltsam geredet wird, als wenn die faschistische Gefahr schon an der Tür steht und anklopft», sagte er im ZDF-«Morgenmagazin». Jetzt heiße es hinzuschauen, dass die überwiegende Mehrheit nach wie vor demokratisch gesinnt sei.
Mit-Initiator Eric Wrasse zufolge sind viele Organisationen auf der Unterstützerliste, die sich bisher nicht positioniert hatten. «Auch das ist ein Signal: Die Breite der Menschen, der Organisationen, die es jetzt für nötig hält, Haltung zu zeigen und sich zu bekennen.» Stand Donnerstag gab es 3464 Unterstützerinnen und Unterstützer, die sich online eintragen konnten.
Künftig wolle die Initiative mindestens bis zur Landtagswahl im September mit Veranstaltungen, öffentlichen Bannern oder Aktivitäten in den Sozialen Netzwerken Sichtbarkeit und Unterstützung für Demokraten vor allem in ländlichen Regionen schaffen. Auch ein Konzert auf dem Erfurter Domplatz im August sei geplant.
In Thüringen stehen in diesem Jahr neben den Kommunalwahlen auch die Europawahl und die Landtagswahl an. Die AfD steht in landesweiten Umfragen weit vorne. Am Sonntag könnte sie bei der Stichwahl im Saale-Orla-Kreis ihren bundesweit zweiten Landratsposten erreichen.
Auch westdeutsche Bewerber haben Bedenken gegenüber Thüringen
Schon jetzt gebe es Probleme, geeignetes Personal aus dem Ausland zu gewinnen, berichtete der Präsident der Bauhaus-Universität Weimar, Peter Benz. Aber auch unter westdeutschen Kandidaten für teils gut bezahlte Posten an der Universität gebe es Bedenken gegenüber Thüringen. «Die Frage ist gar nicht mehr: «Kommen noch die Leute aus dem Ausland zu uns?» Sondern es kommen auch die Inländer unter Umständen nicht mehr zu uns. Und das ist in der Tat sehr bedenklich.»
Die Vorsitzende der Liga der Freien Wohlfahrtspflege, Katja Glybowskaja, betonte: «Wir sind Zehntausende, die sich im Hauptamt und im Ehrenamt für gute Pflege und gute Bildung einsetzen.» Ohne Menschen aus dem Ausland «würde das Ganze schon lange nicht mehr funktionieren». Die Gewerkschaftsvertreterin Renate Sternatz berichtete, dass sie zunehmend wegen Ausgrenzungserfahrungen in der Arbeitswelt angesprochen würden. Teils gehe es auch um die Fragen von Kindern, ob der Freund oder die Freundin morgen noch in der Kita sei.
Positive Botschaften
Es gebe jetzt die Chance, in den vor-politischen Raum zu wirken, sagte Jenas OB Nitzsche. «Wir können die Menschen dort abholen, wo sie stehen.» Das solle mit positiven Botschaften und ohne Fingerzeige geschehen. Die Breite des Bündnisses sei hier eine große Chance, keiner der Akteure werde es allein schaffen, alle Menschen zu erreichen. «Wenn man die gleiche Botschaft in verschiedenen Färbungen aus verschiedenen Richtungen hört, dann erzeugt das eine Glaubwürdigkeit, die niemand von uns alleine wird herstellen können.»
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