Branchennetzwerk: Mehr Unsicherheit in Autoindustrie
Die Konjunkturabkühlung und der beschleunigte Strukturwandel sorgen nach Einschätzung der Thüringer Branchenvereinigung für Unsicherheit in der Autoindustrie. Seit der Pandemie gäben die Autohersteller kaum noch Produktionsprognosen ab. Das erschwere die Planung von Material, die Besetzung von Schichten sowie Investitionen in der Thüringen prägenden Zulieferindustrie, sagte der Geschäftsführer des Netzwerks Automotive Thüringen, Rico Chmelik, der Deutschen Presse-Agentur.
Teilweise gebe es tagesaktuelle Schwankungen, welche und wie viele Teile von Zulieferern abgerufen würden. «Hinzu kommt die Unsicherheit wegen nach wie vor gestörter Lieferketten. Das sorgt für Krisenanfälligkeit in einigen Bereichen.» Sorge bereiteten auch schwierige Standortbedingungen mit vergleichsweise hohen Energiepreisen und fehlendem Fachkräftenachwuchs.
Das Netzwerk vertritt nach eigenen Angaben 110 Firmen im Freistaat mit rund 30.000 Beschäftigten und einem Jahresumsatz von 4,4 Milliarden Euro.
Chmelik sieht einen schleichenden Prozess, bei dem bisher eigenständige Mittelständler von Konzernen oder Industrieholdings übernommen werden. «Es stellt sich die Frage, ob es in Zukunft immer weniger inhabergeführte mittelständische Unternehmen gibt und dafür hauptsächlich Start-ups und Konzerne», sagte der Geschäftsführer.
Damit gingen selbstständige Firmen verloren, die auch im Umfeld ihres Unternehmenssitzes auf das gesellschaftliche Leben ausstrahlten. Die Politik sollte gezielter mittelständische Firmen unterstützen. «Geprüft werden sollte, die Förderung anzupassen.» Viele Mittelständler wünschten sich eine unbürokratische Investitionszulage über die Jahressteurerklärung.
Eine Umfrage von Automotive Thüringen unter den Mitgliedern hatte ergeben, dass die Firmen auf die Unsicherheit mit Investitionszurückhaltung reagieren. 61 Prozent sagten, sie hätten ihre Pläne für Neubau, Erweiterung oder Modernisierung verschoben, gekürzt oder gestrichen. 15 Prozent der Firmen erwögen zudem eine Investition im Ausland.
Insgesamt umfasse die Thüringer Autoindustrie rund 600 Unternehmen mit etwa 66.000 Beschäftigten. Darunter sind Autohersteller wie Opel in Eisenach, vor allem aber Firmen, die ganz oder teilweise als Zulieferer agieren. Dem Branchennetzwerk zufolge steht in Thüringen beispielsweise das größte Leichtmetallräder-Werk in Europa, und es wird Interieur für Premiummarken wie Lamborghini oder Bentley hergestellt.
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