Beobachtungen: Völkische «Initiative Zusammenrücken»
Die vor allem in Sachsen und Thüringen aktive völkische Siedlungsbewegung «Initiative Zusammenrücken» wird vom Verfassungsschutz mittlerweile als erwiesen rechtsextremistische Bestrebung beobachtet. Das teilte eine Sprecherin des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) am Donnerstag auf Anfrage mit. Die Gruppe bediene sich «wiederholt völkischer und fremdenfeindlicher Aussagen», zitierte die «taz» den Verfassungsschutz. «Ihre Vertreter bekunden offen und regelmäßig ein ausschließlich ethnisch geprägtes Volksverständnis unter häufiger Bezugnahme auf nationalsozialistische Begrifflichkeiten», erklärte die Behörde auf Anfrage der Zeitung.
Der Verfassungsschutz führt Siedlungsbestrebungen von Rechtsextremisten in seinem aktuellen Jahresbericht gesondert auf. In dem Bericht heißt es, Ziel dieser Bewegungen sei zumeist der «Erhalt der Deutschen». «Deutschsein» werde hierbei vor allem unter Rückgriff auf den ethnischen Volksbegriff im Sinne der völkischen «Blut-und-Boden»-Ideologie definiert.
BfV-Präsident Thomas Haldenwang hatte zur Vorstellung des Berichts am Dienstag gesagt, völkische Siedler versuchten, kleinere Gebiete zu vereinnahmen, um sich dort Rückzugsräume zu schaffen. «Beispiele für ein solches Vorgehen stellen der Verdachtsfall Anastasia-Bewegung und das rechtsextremistische Netzwerk Initiative Zusammenrücken dar», führte er weiter aus. Die Initiative Zusammenrücken» bemüht sich in ihren Verlautbarungen, Deutsche aus dem Westen der Bundesrepublik zum Umzug in den Osten zu bewegen, wobei sie unter anderem günstigen Wohnraum und den dort geringeren Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund als Argumente anführt.
Die «Initiative Zusammenrücken» sei «als eine Siedlungsbestrebung mit insbesondere völkisch-nationalistischer Ausprägung» Beobachtungsobjekt, stellte auch das Landesamt für Verfassungsschutz Sachsen am Donnerstag klar. Sie sei ein parteiübergreifendes Netzwerk von Rechtsextremisten, das «ethnische Deutsche» zu einem Umzug nach «Mitteldeutschland» mobilisieren wolle und ihnen dabei beratend zur Seite stehe. Die Gruppierung sei vor allem in Leisnig (Landkreis Mittelsachsen) in Erscheinung getreten.
Laut LfV haben sich über einen Zeitraum von mehreren Jahren mehrere Rechtsextremisten aus unterschiedlichen Regionen mit ihren Familien in Sachsen angesiedelt. Sie seien unter anderem aus Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen gekommen, auch aus Mecklenburg- Vorpommern. Dabei werbe man besonders mit günstigen Standortfaktoren wie preiswertem Wohnraum, niedrigen Immobilienpreisen oder ländlicher Abgeschiedenheit. Die Siedlungsprojekte ließen sich als weiteres Indiz für die aktuellen Vernetzungsbestrebungen innerhalb der rechtsextremistischen Szene werten, sagte eine LfV-Sprecherin.
Dem sächsischen LfV zufolge wirbt die «Initiative Zusammenrücken» seit Februar 2020 insbesondere auf ihrem Telegramkanal sowie über verschiedene rechtsextremistische Publikationen für Ansiedlungen in «Mitteldeutschland». Einige der Zugezogenen gehörten zur Neonazi- Szene an, manche seien in Parteien aus dem rechtsextremen Spektrum. Auch ehemalige Mitglieder der im Jahr 2009 verbotenen neonazistischen «Heimattreuen Deutschen Jugend» zählten dazu. «Über die Jahre sind diese Verbindungen bestehen geblieben, man bleibt der Szene und ihren verfassungsfeindlichen Zielen treu», hieß es.
«Die extremistischen Vorstellungen werden innerhalb von sogenannten 'Siedlungsgemeinschaften' an die nächsten Generationen weitergegeben. Ziel ist es, einen an rassistischen und völkischen Ideen orientierten Lebensentwurf zu verwirklichen, der ein Zeichen gegen die von der Szene empfundene 'Überfremdung' durch die Zuwanderer setzen soll», erläuterte die LfV-Sprecherin. Das verdeutliche die Aussage eines Protagonisten der Initiative. Er halte Sachsen für ein ideales Gebiet für das Vorhaben, da man «hier noch als richtiger Deutscher akzeptiert» werde und «als Volk in Ruhe wieder wachsen könne».
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