Aufnahme von Straßentieren aus dem Ausland umstritten
Thüringer Tierheime stehen dem Import von Straßenhunden aus dem Ausland kritisch gegenüber. «Grundsätzlich ist es verständlich und auch löblich, dass sich Menschen angesichts der Bilder von hungernden Straßenhunden oder Tieren in einer Tötungsstation wünschen, diesen Tieren zu helfen», erklärt René Glaser, Vorsitzender des Tierheimverbands Jena. «Ich denke jedoch, dass mehr geholfen wäre, würde man stattdessen die Engagierten vor Ort finanziell oder auch aktiv unterstützen.»
Ähnlich äußerten sich auch Sprecher der Tierheime in Greiz, Nordhausen und Erfurt. Durch den Import würden die grundlegenden Probleme im Umgang mit Straßenhunden in den Herkunftsländern nicht gelöst, sondern allenfalls verlagert, hieß es übereinstimmend. Ohne stärkere Hilfe vor Ort werde es nie gelingen, die unkontrollierte Vermehrung und das daraus resultierende Tierleid zu verhindern.
Unseriöse Vermittler erkennen
Die Geschäftsführerin des Tierheims Nordhausen, Sandra Mühle, steht der Einfuhr ausländischer Hunde mit gemischten Gefühlen gegenüber. «In Thüringer Tierheimen gibt es genug Hunde, die ein liebevolles Zuhause verdient hätten - die aber keine Chance bekommen, weil sie in Deutschland sitzen und nicht im Ausland.»
Dennoch sei der Wunsch, zu helfen, verständlich. Es gebe durchaus seröse Vermittlungsorganisationen, bei denen das Tierwohl im Mittelpunkt stehe. Aber auch die Zahl der schwarzen Schafe, die solche Angebote in erster Linie des Geldes wegen ausnutzten, sei hoch.
Warnzeichen seien, wenn keine Vor- und Nachkontrolle angeboten, nur oberflächliche Information über die Wesenseigenschaften des Hundes geliefert oder die medizinische Untersuchung vernachlässigt werde, so Glaser. In solchen Fällen sei der Weg des Hundes von den enttäuschten Besitzern ins Tierheim oft schon vorprogrammiert. Dabei mangele es in vielen davon bereits jetzt an ausreichend Platz und Geld, um allen Anfragen gerecht zu werden, hieß es bei den befragten Heimen.
Was nützt dem Tier?
Wer sich dennoch zur Adoption eines Auslandshundes entschließe, sollte unbedingt darauf achten, den neuen Hund zunächst kennenzulernen und sich nicht nur aufgrund eines Bildes für ein Tier zu entscheiden, äußerte der Vorsitzende des Tierheimverbands Jena. Interessenten sollten sich gut über die vermittelnde Organisation informieren: Ansprechpersonen in Deutschland seien ebenso wichtig wie die Einfuhr und Vermittlung entsprechend der gültigen Vorschriften.
Zu den Grundvoraussetzungen gehöre ein schriftlicher Vermittlungsvertrag und ein gültiger EU-Heimtier-Impfpass. Neben einer Beschreibung des Charakters sollte auch ein Bericht zum Gesundheitszustand der Tiere vorliegen. Sonst bestehe die Gefahr, dass Krankheiten oder Parasiten aus dem Mittelmeerraum eingeschleppt werden.
Kleine Hunde aus Welpenfarmen
Gerade ältere Straßenhunde seien trotz der fehlenden medizinischen Versorgung an das Leben in Freiheit gewöhnt und kämen mit dem vermeintlich besseren Leben in einer engen Stadtwohnung womöglich nur schlecht zurecht, sagte Elke Becker, Leiterin des Tierheims in Greiz. «Ich bin der festen Überzeugung, dass man diesen Hunden mit solchen Aktionen absolut keinen Gefallen tut.»
Auch bei Welpen könnte es negative Effekte des gut gemeinten Verhaltens geben. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass Jungtiere aus sogenannten «Welpenfarmen» stammten, so Glaser. Auch spätere Verhaltensauffälligkeiten - etwa durch problematische Kreuzungen - seien möglich, ergänzte Kühne. Gerade die Corona-Zeit habe zu einem wahren Welpenboom mit teils horrenden Preisen für Jungtiere geführt. Die Probleme aufgrund der nach Einschätzung von Tierschützern teils verantwortungslosen Kreuzungen machten sich nun bemerkbar.
Seine Empfehlung sei, «in den deutschen Tierheimen nach einem Haustier zu suchen», äußerte Glaser. «Selbst wenn im nächsten Tierheim nicht der passende Mitbewohner dabei sein sollte, gibt es bundesweit viele Tierheime mit vielen tollen Haustieren.»
© dpa-infocom, dpa:240727-930-185830/1