Apotheken geschlossen: Verständnis aus Landespolitik
Hunderte Apotheken in Thüringen haben am Mittwoch mit demonstrativen Schließungen gegen die Gesundheitspolitik der Bundesregierung protestiert. Rund 400 Apotheken hätten sich an der Aktion beteiligt, sagte der Vorsitzende des Thüringer Apothekerverbandes, Stefan Fink. Dies seien mehr als 80 Prozent der Apotheken in Thüringen. Die Organisationen der Pharmazeuten wollten mit dem bundesweiten Aktionstag unter anderem eine Honoraranhebung erreichen. «Wir brauchen dringend mehr Geld aus der gesetzlichen Krankenversicherung für die Apotheken», sagte Fink.
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hatte der Forderung nach höheren Honoraren vor dem Protesttag eine Absage erteilt - mit Verweis auf die Finanzsituation der gesetzlichen Krankenversicherung. Fink sagte, dass der Kostenanteil der Apotheken an den Kassen-Gesamtausgaben lediglich rund zwei Prozent betrage.
Im Vorfeld hatten der Verband und die Landesapothekerkammer auf einen seit Jahren zu beobachtenden Apothekenschwund verwiesen. Ihre Zahl sei seit 2010 von 583 auf derzeit etwa 500 gesunken. Neben wirtschaftlichen Gründen sehen sie fehlenden Nachwuchs bei Fachpersonal als einen Grund für die Entwicklung an. Zugleich habe der Arbeits- und Beratungsaufwand für die Apotheken zugenommen.
Die verschärften Lieferengpässe bei vielen Medikamenten hätten die Situation noch zugespitzt. «Das ist für viele der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt», sagte Fink. Nach seiner Einschätzung haben aus diesem Grund auch Patienten Verständnis für den Protest gezeigt.
Auch die Thüringer Landespolitik zeigte Verständnis für die protestierenden Pharmazeuten. Politiker aller im Landtag vertretenen Parteien äußerten, deren Probleme müssten ernst genommen werden. «Lieferengpässe, Personalmangel und Verwaltungsaufwand zwingen Apothekerinnen und Apotheker vielerorts in die Knie», teilte Gesundheitsministerin Heike Werner (Linke) mit. Sie sehe vor allem den Bund gefordert, «die Probleme anzugehen, statt abzuwinken».
Die Landtagsopposition sieht auch die rot-rot-grüne Landesregierung in der Pflicht, konkret bei der Apothekerausbildung. CDU, FDP und AfD erneuerten ihre Forderungen nach mehr Pharmazie-Studienplätzen an der Universität Jena, der einzigen Apotheker-Ausbildungsstätte in Thüringen. Der FDP-Abgeordnete Robert-Martin Montag plädierte für ein Landesprogramm zum Pharmazie-Studium im europäischen Ausland, bei dem das Land in der Regelstudienzeit die Studiengebühren übernehmen soll. Die CDU forderte eine Studienplatzquote für Pharmazie-Studierende, die nach ihrem Studium in Jena in Thüringen bleiben.
Das Wissenschaftsministerium verwies darauf, dass Thüringen bereits jetzt über den für das Land erwarteten Bedarf hinaus Pharmazeuten ausbildet. In den kommenden 20 Jahren würden rein rechnerisch mehr als 1500 Pharmazie-Studierende ausgebildet, teilte ein Ministeriumssprecher mit. Prognosen der Landesapothekerkammer gingen von rund 1000 Apothekerstellen aus, die im gleichen Zeitraum besetzt werden müssten.
Wie aus der amtlichen Statistik hervorgeht, steigt die Zahl der Apotheker in öffentlichen Apotheken in Thüringen seit Jahren an. Ende 2021 waren 1335 Pharmazeuten registriert, nach 1064 im Jahr 2015 und 1119 im Jahr 2019. In Thüringen versorgt eine Apotheke ihrem Verband zufolge derzeit 4000 bis 4100 Einwohner.
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