Angst vor Jobverlust bringt Populisten nicht immer Stimmen
Angst vor Arbeitslosigkeit führt nach Einschätzung der Politikwissenschaftlerin Marion Reiser nicht automatisch zu besseren Wahlergebnissen rechtsextremer oder populistischer Parteien. Es gebe eine Vielzahl von Faktoren, die Menschen dazu bewegten, einer Partei ihre Stimme zu geben - oder auch nicht, sagte Reiser, die an der Friedrich-Schiller-Universität Jena den Lehrstuhl für das politische System der Bundesrepublik Deutschland führt. «Aus Einstellungsdaten kann man nur sehr begrenzt auf das Wahlverhalten schließen», sagte sie der Deutschen Presse-Agentur in Erfurt.
Der Mitte April vorgestellte Thüringen-Monitor hatte gezeigt, dass Menschen, die ihren Job bedroht sehen, besonders empfänglich für rechtsextremes oder rechtspopulistisches Gedankengut sind. «Die Furcht vor einem Arbeitsplatzverlust durch Digitalisierung wirkt sich verstärkend auf rechtsextreme und rechtspopulistische Einstellungen aus», heißt es in der Studie. Wenn die Beschäftigten in einem Unternehmen dagegen etwa durch einen Betriebsrat Einfluss zum Beispiel auf ihre Arbeitsbedingungen hätten, so wirke dies hemmend auf derlei Einstellungen. Laut Reiser gibt es ein «ganzes Bündel von Einflussfaktoren, es ist komplex».
Für die repräsentative Erhebung wurden im September und November 2023 etwa 1000 Menschen befragt, die bei Bundestagswahlen wahlberechtigt sind. Die Befragungen zum Thüringen Monitor werden seit dem Jahr 2000 durchgeführt. Damit bieten die Daten einen Langzeit-Einblick in die Lebensrealität der Menschen im Freistaat. Reiser ist an der Uni Jena Direktorin des Instituts für Politikwissenschaft und wissenschaftliche Leiterin des Thüringen-Monitors.
Neben der inhaltlichen Nähe zu zumindest einem Teil der Programmatik einer Partei spielt laut Reiser für viele Menschen bei ihrer Wahlentscheidung auch die Frage eine Rolle, ob sie damit Protest ausdrücken könnten oder welche Parteien sie in der Vergangenheit bereits gewählt haben.
Ausweislich der Studie befürchten sieben Prozent der Berufstätigen im Freistaat, sie könnten wegen der Digitalisierung ihren Arbeitsplatz verlieren. Die Autoren hatten angesichts dieser Zahlen bereits gewarnt, viele Menschen im Land würden die Veränderungen unterschätzen, die die Digitalisierung für den Arbeitsmarkt bedeutet. Ein Grund dafür liege in der angespannten Fachkräftesituation auf dem Arbeitsmarkt, hatte Reiser gesagt. Weil viele Menschen auf der Arbeit und auch in ihrem privaten Alltag spürten, dass praktisch überall Personal fehle, könnten sie offenbar nicht vorstellen, dass viele Jobs demnächst überflüssig sein würden.
Reiser sagte nun, jenseits dessen, wie sehr ökonomische Krisen sich auf das Wahlverhalten von Menschen auswirkten, dürfe ihr Einfluss auch auf politischen Einstellungen nicht überschätzt werden. Persönliche und sozialpsychologische Faktoren würden viel stärker darüber entscheiden, ob Menschen rechtsextremen oder rechtspopulistischen Ideen folgten, sagte sie. Wenn Menschen beispielsweise autoritären Vorstellungen anhingen, dann sei das für deren politische Einstellungen häufig von größerer Relevanz als die Frage ihres wirtschaftlichen Status. Auch zwischen diesen Faktoren gebe es allerdings komplexe Wechselwirkungen.
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