«Anatevka» - Domstufen setzen auf Hit mit aktuellen Bezügen
Mit dem bekannten Musical-Klassiker «Anatevka» will das Theater Erfurt bei den diesjährigen Domstufen-Festspielen das Publikum begeistern. «Es ist für mich eines der schönsten und menschlich bewegendsten Werke, die es im Theater gibt», sagte Regisseur Ulrich Wiggers am Dienstag in Erfurt. Es sei eine absolut zeitlose Geschichte. Gleichzeitig seien die Bezüge zu heute so deutlich, dass sie kaum erklärt werden müssten, so Wiggers mit Blick auf den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine.
Die Geschichte handelt vom jüdischen Milchmann Tevjes, der 1905 in einem kleinen Fantasie-Dorf namens Anatevka lebt. Das Schtetl ist auf dem Gebiet der heutigen Ukraine angesiedelt und die Bewohner sehen sich mit der Vertreibung durch russische Soldaten konfrontiert. Es gehe um universelle Themen, so Wiggers: Familie, Generationenkonflikte, Toleranz, Empathie und Solidarität.
Dennoch: «Der Unterhaltungswert steht ganz im Vordergrund», betonte Wiggers bei allen ernsten Bezügen. Das Musical sei fröhlich und schwungvoll. Auch der musikalische Leiter Clemens Fieguth hob hervor, dass die Musik nicht verkopft, sondern leicht und eingängig sei. «Wir werden direkt emotional angerührt und dieses unmittelbar Menschliche spiegelt sich in allen Nummern wieder», so Fieguth.
Das 1964 uraufgeführte Stück mit dem Originaltitel «Fiddler on the Roof» von Komponist Jerry Bock und Librettist Joseph Stein basiert auf den Geschichten von Scholem Alejchem. Mit Ohrwürmern wie «Wenn ich einmal reich wär'» wurde es ein Welterfolg. Auf dem Broadway wurde es mehr als 3000 Mal gespielt und 1971 von Norman Jewison verfilmt.
Dabei passt das Musical auch thematisch besonders nach Erfurt: Die Stadt ist im vergangenen Jahr mit ihren Stätten der jüdischen Geschichte in die Liste des Unesco-Welterbes aufgenommen worden.
Milchstrom ergießt sich über Domstufen
Einen Hingucker im Bühnenbild wird in diesem Jahr eine riesige umgestoßene Milchkanne bieten, aus der sich ein Milschstrom über die Stufen vor dem katholischen Mariendom zu ergießen scheint. Auch mit Holz- und Glassplittern wolle er symbolisch darstellen, was den Juden in der Geschichte immer wieder passiert sei, sagte der fürs Bühnenbild verantwortliche Leif-Erik Heine. «Aber es wächst auch neues Leben», betonte er. Grüne Flecken in der Kulisse sollen die Widerstandsfähigkeit der Juden zeigen. Bezug zu Geschichte und Traditionen nehmen die Kostüme von Jula Reindell und auch die Choreografie von Kati Heidebrecht greift diese auf.
Preise, Daten und Kinderprogramm
20 Aufführungen sind vom 2. bis 25. August geplant. Bei jeder Vorstellung wird Platz für rund 2100 Gäste sein. Als Kinderoper wird in diesem Jahr das Märchen «Hans im Glück» zu sehen sein.
Der reguläre Ticketpreis für das Musical ist um fünf Euro gestiegen und liegt zwischen 75 und 95 Euro. Bereits jetzt sei mehr als die Hälfte der Karten verkauft, so Wasem. Die Hoffnung sei, an den Besucherrekord von 2022 mit rund 44.500 Gästen anknüpfen zu können.
Ein solcher Erfolg täte dem Theater Erfurt gut. Im vergangenen Jahr waren bei den Festspielen die Plätze bei den Aufführungen von Hector Berlioz' Oper «Fausts Verdammnis» nur zu etwa zwei Dritteln ausgelastet gewesen. Dabei gelten die Open-Air-Festspiele, die es immerhin seit 1994 gibt, in der Regel als Publikumsmagnet. Dazu kommt, dass das Theater zuletzt unter anderem wegen Vorwürfen sexueller Belästigungen am Haus in die Schlagzeilen geraten war.
Auch im kommenden Jahr setzen die Domstufen-Festspiele auf ein gut bekanntes Stück: 2025 soll «La Bohème» von Giacomo Puccini gezeigt werden.
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