Amtsarzt-Impfen? Streit um öffentlichen Gesundheitsdienst
Impfen, Vorsorge, Kindergesundheit: Rot-Rot-Grün und die FDP ringen um ein neues Gesetz für den öffentlichen Gesundheitsdienst. Der Gesetzentwurf von Rot-Rot-Grün sehe eine «unglaubliche Aufgabenerweiterung» vor, sagte Robert-Martin Montag von der FDP der Deutschen Presse-Agentur. Das würde zu einer Überforderung führen. Der FDP-Entwurf sei dagegen schlanker.
Thüringen ist nach Angaben mehrerer Gesundheitspolitiker das einzige Bundesland in Deutschland ohne ein Gesetz zum öffentlichen Gesundheitsdienst. Anläufe dafür gab es immer wieder, nach den Erfahrungen in der Corona-Pandemie soll es nun kommen, wenn sich eine Mehrheit im Landtag findet.
Der Linken-Gesundheitspolitiker Ralf Plötner verteidigte die Vorstellungen der Koalition. Man wolle beispielsweise Impfungen über den öffentlichen Gesundheitsdienst ermöglichen. Beim der Kindergesundheit wolle man auch Kinder erreichen, die nicht in den Kindergarten gingen. Bei Bedarf sollten ergänzend auch Untersuchungen sowie Impfungen ermöglicht werden.
Die SPD-Gesundheitspolitikerin Cornelia Klisch erklärte, mit dem Gesetz soll ermöglicht werden, dass Impfungen gleich bei der Vorschuluntersuchung nachgeholt werden könnten, vorausgesetzt die Eltern seien einverstanden.
Sie wies auch auf soziale Probleme hin. «Es darf nicht sein, dass jemand wegen Armut mehr Erkrankungen bekommt und früher stirbt.» Diese Korrelation zeigten aber Studien. Mit dem Gesetz wolle man gegensteuern.
Der Entwurf von Rot-Rot-Grün nehme zudem die Folgen des Klimawandels in den Blick. «Wir erleben es jetzt schon, dass es im Sommer wesentlich heißer wird als früher», sagte Klisch. Für ältere Menschen sei das eine große Belastung. Im rot-rot-grünen Entwurf heißt es dazu, dass die Gesundheitsämter Bevölkerung und Behörden zum umwelt- und klimabezogenen Gesundheitsschutz beraten sollen. Außerdem sollen sie dafür sorgen, dass es keine Gesundheitsgefährdung wegen Umwelt- oder Klimaproblemen gibt.
Montag warnte vor zu vielen Aufgaben für die Kommunen und davor, individualmedizinische Leistungen durch den öffentlichen Gesundheitsdienst anzubieten. «Das machen die niedergelassenen Ärzte und die Krankenhäuser», betonte er.
Das wichtigste Ziel aus Sicht des FDP-Politikers Montag ist es, «Sicherheit zu schaffen für die Ämter». Bisher seien beispielsweise Verordnungen nicht rechtsgleich ausgelegt worden. Man wolle die Kommunen von Aufgaben entlasten, die auf Landesebene erledigt werden könnten, etwa wenn es um wissenschaftliche Studien oder Fragen der Gesundheitsberichterstattung gehe.
Die Kassenärztliche Vereinigung Thüringen (KVT) fordert eine Landes-Gesundheitsbehörde, wie sie der FDP-Vorschlag vorsieht. «Wir brauchen eine Zentralisierung in Form einer Landesbehörde, die sowohl fachlich wie auch juristisch dem öffentlichen Gesundheitsdienst zur Seite steht», sagte KVT-Vorsitzende Annette Rommel. Das sei eine Lehre aus der Corona-Pandemie.
Der rot-rot-grüne Vorschlag sehe die Schaffung einer eigenen Landesbehörde nicht vor, stattdessen sollen die Aufgaben im Landesamt für Verbraucherschutz gebündelt werden. Am Ende könnte das auch eine Kostenfrage sein. Die FDP veranschlagt rund 250 000 Euro für die Schaffung einer eigenständigen Landesbehörde inklusive einer Präsidentin oder eines Präsidenten - zu wenig, vermutet Plötner, der von höheren Kosten ausgeht.
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