Das Gebäude des Thüringer Landtags., © Martin Schutt/dpa-Zentralbild/dpa/Archivbild
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AfD «voller Freude»: Untersuchung von Personalentscheidungen

28.04.2023

Rot-Rot-Grün und CDU streiten, die AfD jubelt: In Thüringen soll ein Untersuchungsausschuss klären, ob die Landesregierung Fehler bei der Vergabe von wichtigen Beamten-Jobs gemacht hat. Die Fraktionen von Linke, SPD und Grünen wollen bei der Gelegenheit auch gleich auf die CDU-geführten Vorgängerregierungen schauen. Einem entsprechenden Änderungsantrag stimmten am Freitag in Erfurt neben den Regierungsfraktionen auch die Abgeordneten der AfD zu. Nach Darstellung der CDU-Fraktion kam die Mehrheit nur mit Hilfe der AfD zustande. Nach Angaben des Thüringer Landtags wurde das genaue Abstimmungsverhalten nicht protokolliert.

Die Thüringer Landesregierung steht seit Monaten massiv in der Kritik. Grund ist ein Prüfbericht des Landesrechnungshofes, in dem der Landesregierung systematische und schwerwiegende Verstöße gegen Regeln zur Einstellung von Beamten vorgeworfen werden. Beanstandet wurde, dass bei der Einstellung etwa von Staatssekretären die «Bestenauslese» nicht beachtet und Dokumentationspflichten verletzt worden seien. Staatskanzleichef Benjamin-Immanuel Hoff (Linke) hatte einige Versäumnisse eingeräumt - etwa bei der Erfüllung der Dokumentationspflichten. Zugleich betonte er mehrfach, dass die Landesregierung zu den Einstellungen eine andere Rechtsauffassung vertrete als der Rechnungshof.

Der AfD-Abgeordnete Stefan Möller signalisierte, dass seine Fraktion die Einsetzung des Untersuchungsausschusses unterstützt und auch den Antrag von Rot-Rot-Grün zur Ausweitung des Untersuchungszeitraums begrüßt. Die «Vetternwirtschaft», sagte Möller, sei nicht von Rot-Rot-Grün erfunden, sondern nur fortgesetzt worden. «Vorher badete die CDU in diesem Sumpf.» Er ergänzte: «Wir stehen da mit voller Freude zur Aufklärung bereit.» Aus Kreisen des Justizausschusses hieß es, dass die AfD sich dort zunächst enthalten hatte.

Abstimmungen zusammen mit der AfD gelten als heikel. Die anderen Parteien halten stets die Abgrenzung zur ihr hoch, zumal die Thüringer AfD um ihren umstrittenen Landespartei- und Fraktionschef Björn Höcke vom Landesverfassungsschutz als gesichert rechtsextrem eingestuft wurde. Möller ist stellvertretender Landesvorsitzender. In Thüringen wurde allerdings auch schon mal ein Gesetz mit Hilfe der AfD verabschiedet. Die anderen Stimmen kamen damals von CDU und FDP. Linke, SPD und Grüne hatten damals empört reagiert.

Erst am Donnerstag sorgte das mögliche Abstimmungsverhalten der AfD bei der Wahl des neuen Regierenden Bürgermeisters von Berlin, Kai Wegner (CDU), wieder für Kontroversen.

In Thüringen führt Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) eine Minderheitsregierung aus Linke, SPD und Grünen. Die Koalition hat keine eigene Mehrheit im Parlament und ist auf Stimmen aus der Opposition angewiesen, die in der Vergangenheit meist von der CDU kamen. Manchmal wird Rot-Rot-Grün aber auch überstimmt - von CDU, AfD und FDP.

Thüringens Linke-Fraktionschef Steffen Dittes sagte: «Wir skandalisieren es dort, wo es eine Gestaltungswirkung hat.» Außerdem sei man nicht auf die Stimmen der AfD angewiesen gewesen. Möglicherweise sei man darauf angewiesen gewesen, dass CDU und FDP nicht aktiv zusammen mit der AfD gegen den Antrag gestimmt haben. Das sei aber ein Unterschied, so Dittes.

Die SPD-Abgeordnete Diana Lehmann warf der CDU-Fraktion, die zusammen mit der FDP die Einsetzung des Untersuchungsausschusses beantragt hatte, vor, ein «Spektakel» zu veranstalten. «Instrumentalisieren sich nicht auch noch den Untersuchungsausschuss für die Show, die Sie in den letzten Wochen hier abgezogen haben», warnte sie im Landtag. Die CDU-Fraktion versuche, mit einer «Scheibchentaktik» das Thema möglichst lange in der Öffentlichkeit zu halten. Rot-Rot-Grün wolle bei dem Thema keine Verzögerungen mehr. Man habe keine Zweifel, dass die Landesregierung ordentlich gearbeitet habe.

Der parlamentarische Geschäftsführer der CDU-Fraktion, Andreas Bühl, reagierte empört auf Lehmanns Vorwürfe. «Wir als Opposition haben die staatspolitische Aufgabe, die Regierung zu kontrollieren», sagte Bühl. Der CDU-Abgeordnete Stefan Schard machte klar, dass unter anderem auch geklärt werden müsse, wer für die kritisierten Einstellungen verantwortlich ist und wie mit möglicherweise zu viel bezahlter Besoldung umgegangen werde. Auch über Konsequenzen müsse man sprechen - etwa zivilrechtliche.

In Thüringen wird kommendes Jahr regulär ein neuer Landtag gewählt. In der jüngsten Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Insa lag die AfD auf dem ersten Platz - und konnte ihren Vorsprung zur Linken weiter ausbauen. Auch die CDU büßte zur vorhergehenden Umfrage leicht ein.

© dpa-infocom, dpa:230428-99-490921/3

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