«Adios Amigos»: Lesser macht Schluss und wird Trainer
Nicht mal die Aussicht auf die Biathlon-WM vor der eigenen Haustür konnte Erik Lesser noch motivieren. «Das ist halt wieder noch ein Jahr Schinderei. Wieder ein Sommer, wo ich mir Gedanken machen muss: Reicht's? Reicht's nicht?», sagte der Thüringer am Donnerstag im Podcast «Das Biathlon-Doppelzimmer». Deswegen wird der 33 Jahre alte Ex-Weltmeister in zweieinhalb Wochen seine Karriere beenden: «Für mich war's das. Ich packe jetzt hier meine Sachen zusammen, mache noch meine drei Weltcups und dann: Adios Amigos!»
Dass Lesser auf die Weltmeisterschaft in seinem Wohnort Oberhof im Februar 2023 verzichtet, kommt durchaus etwas überraschend. Doch der Routinier gab ganz offen zu: «Meine Motivation wird immer spärlicher.» Im Wettkampf sei er weiterhin «heiß», aber: «Ich will das als aktiver Athlet nicht mehr machen.» Und das trifft auch den Deutschen Skiverband. In Lesser geht ein Jahr nach Olympiasieger Arnd Peiffer und dem langjährigen Staffel-Schlussläufer Simon Schempp ein weiterer Athlet aus einer besonders starken Generation. Auch wenn Lesser zuletzt nicht mehr an seine Glanzzeiten anknüpfen konnte.
2014 gewann er in Sotschi zweimal Olympia-Silber, ehe er ein Jahr später in Finnland sein Meisterstück ablieferte. Der WM-Titel in der Verfolgung und mit der deutschen Staffel sind ganz besondere Momente für den Vater, der sich nun mehr um die Familie kümmern will. «Die Zeit, nicht daheim zu sein, wird immer schwieriger. Da muss ich mir eingestehen, das nimmt mich jedes Mal mehr mit», sagte Lesser.
Nun will er sich eine längere Auszeit gönnen und dann zurück an den Schießstand. «Ich will Trainer werden und muss mein Trainer-Studium anfangen», sagte der Oberhofer im gemeinsamen Podcast mit Kumpel Arnd Peiffer. Seit drei, vier Jahren stehe für ihn der Wechsel zum Coach schon fest, gleich in diesem Sommer werde er aber sicher keine eigene Trainingsgruppe übernehmen, will zunächst nur die Lizenzen erlangen.
276 Mal startete Lesser bislang im Weltcup, zum Finale wäre er am 20. März gerne am Holmenkollen in Norwegens Hauptstadt Oslo dabei. «In der Wiege des Wintersports darf ich Tschüss sagen, hoffentlich im Massenstart. Das ist ein ganz runder Abgang», sagte Lesser, der auch neben der Loipe und dem Schießstand auffällt. Als Mitglied der Athletenkommission des Weltverbandes IBU spricht er Missstände klar an und legte sich zuletzt vor Ort als einer von ganz wenigen Aktiven auch mit dem IOC bei den Olympischen Winterspielen in Peking an.
Die Spiele stünden «unter der Headline: Geld, Geld generieren. Um nichts anderes geht es hier», hatte Lesser gesagt und kritisierte auch den Gigantismus um die neuen Wettkampfstätten sowie Präsident Thomas Bach persönlich. Sportlich konnte er als 67. im Einzel nicht mehr überzeugen, mit der Staffel reichte es auf Rang vier nicht zur erhofften vierten und letzten Olympia-Medaille.
Ab Freitag beginnt für die deutschen Männer mit dem Staffelrennen der Weltcup im finnischen Kontiolahti, ehe es in der kommenden Woche nach Otepää in Estland und schließlich nach Norwegen geht. Doch Lesser denkt natürlich schon weiter: «Ich freue mich auf die Zeit danach.»
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