Thüringer Akteure wollen Kinder aus Suchtfamilien stärken
Hinschauen, zuhören, den oft vergessenen Kindern aus Suchtfamilien Aufmerksamkeit schenken - das sieht Tina Wohlfarth von der Thüringer Fachstelle Suchtprävention als wichtiges Anliegen der Aktionswoche, die jedes Jahr um den 14. Februar in Deutschland und vielen anderen Ländern stattfindet.
Schätzungen zufolge leben zwischen 30.000 und 50.000 Kinder in Thüringen in Familien mit Suchtproblemen. Rauchen, Alkohol, illegale Drogen, Spielsucht - das Spektrum sei breit und Probleme gebe es in allen Gesellschaftsschichten, sagt die Psychologin. Die Kinder mit speziellen Angeboten möglichst früh zu stärken, sei ein wichtiges Ziel der Akteure. In mehreren Thüringer Städten bieten Fachkräfte bereits Gruppen an, in denen Kindern darin unterstützt werden, die Situation zu Hause besser zu verarbeiten.
Oft quäle die Jungen und Mädchen die Frage, ob sie schuld an den Schwierigkeiten seien. Das unsichere Umfeld trage dazu bei, dass einige von ihnen ebenfalls ungesunde Verhaltensmuster entwickelten, sagt die Psychologin. Kinder aus Suchtfamilien hätten ein sechs Mal höheres Risiko, als Erwachsene selbst Angststörungen, Depressionen oder eine Suchterkrankung zu entwickeln.
Schwierig sei es, die Kinder überhaupt zu erreichen, beschreibt Wohlfarth. Viele Eltern befürchteten, ausgegrenzt zu werden. Die große Angst der Mütter und Väter vor Verurteilungen kennt auch Christiane Hofmann vom Fachdienst Gesundheit der Stadt Jena. Die Akteure, die sich hier seit 2018 regelmäßig zu einem runden Tisch treffen, legen daher zur diesjährigen Aktionswoche den Schwerpunkt auf Schwangere, die Suchtmittel konsumieren. Rund elf Prozent der Schwangeren rauche, etwa jede vierte Frau in Europa trinke während der Schwangerschaft gelegentlich Alkohol, sagt Hofmann. Lebenslange Schäden der Kinder könnten die Folge sein.
«Wir müssen diese Familien viel zeitiger erreichen, am besten bereits vor der Geburt der Kinder», sagt Hofmann. Seit 2019 laufe dazu in Thüringen ein Modellprojekt: Eine an der Geburtsmedizin am Universitätsklinikum Jena ansässige Mitarbeiterin betreut betroffene Frauen vor, während und nach der Entbindung und vermittelt weitere Hilfe. Die Akteure hoffen, dass die betroffenen Frauen sie als Partner sehen, um ein gutes Leben gemeinsam mit ihren Kindern führen zu können.
Die Stadt Gera plant für das laufende und das kommende Jahr gezielte Fortbildungen für Schulsozialarbeiter und für Fachkräfte des Jugendamtes und der Kindertageseinrichtungen. Die Suchtberatungsstelle der Stadt geht in ihrem Bericht für 2022 von mehr als 600 betroffenen Kindern und Jugendlichen in Gera aus. Damit diese gesund aufwachsen könnten, sei - neben der Behandlung der Erwachsenen - wichtig, ihre Bedürfnisse zu sehen, betonte die Leiterin des Gesundheitsamts, Monique Heinze. Der Arbeitskreis Gesundheitsförderung und Prävention der Stadt hat eine Notfallkarte entwickelt, mit der Kinder, Jugendliche und Familien schnell die richtigen Ansprechpartner finden, wenn sie Hilfe benötigen.
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