Parteimitglieder stimmen ab im Saal des Hotel Pfiffelburg während des Landesparteitags der AfD., © Martin Schutt/dpa
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Thüringer AfD auf Höcke-Kurs: Ausschluss von Journalisten

18.11.2023

Jubel über rechte Regierungsträume: Die Thüringer AfD setzt voll und ganz auf ihren Vorsitzenden Björn Höcke und schickt ihn als Spitzenkandidat in den Landtagswahlkampf. Die rund 240 AfD-Mitglieder wählten den 51-Jährigen bei einer mehrtägigen Landeswahlversammlung in Pfiffelbach (Kreis Weimarer Land) auf Platz eins ihrer Liste für die Landtagswahl 2024. Er hatte keine Gegenkandidaten. «Und wir werden das Establishment jagen, wir werden es jagen und darauf freue ich mich», rief Höcke den AfD-Mitgliedern zu.

Auf Listenplatz zwei wählten die AfD-Mitglieder Stefan Möller, neben Höcke Co-Chef des vom Thüringer Verfassungsschutz als gesichert rechtsextremistisch eingestuften Landesverbandes. Die frühere AfD-Landtagsabgeordnete Wiebke Muhsal wurde auf Platz drei gewählt, Torben Braga auf Platz vier.

Die Wahl der Listenplätze verlief am Freitag und Samstag zügig - es gab nur wenige Kampfkandidaturen - und folgte im Wesentlichen dem Vorschlag des Landesvorstandes um Höcke. Bei einer Kampfabstimmung um Listenplatz sechs setzte sich Jörg Prophet gegen den Landtagsabgeordneten Denny Jankowski durch. Prophet hatte knapp die Oberbürgermeisterwahl in Nordhausen in der Stichwahl verloren.

In seiner Bewerbungsrede forderte Prophet eine Mittelstandsinitiative. «Wir brauchen keinen umherfahrenden Globalismus mit Leuchtturmprojekten à la Tesla», sagte er. Man müsse raus aus einer Europäischen Union, die keine Wirtschaftsgemeinschaft sei. Extremismus-Experten halten den Ausdruck Globalismus für problematisch, weil er von Rechtsextremisten teils als antisemitischer Code genutzt wird.

Obwohl für die AfD keinerlei Koalitionsoptionen zu erkennen sind, untermauerte Höcke unter großem Applaus seinen Machtanspruch in Thüringen. «Wir arbeiten an einem Schattenkabinett, das wir dann zu entsprechender Zeit auch vorstellen werden, wir bereiten uns jetzt intensiv vor», sagte Höcke am Rande der Veranstaltung. Man werde in Thüringen kommendes Jahr die Machtfrage stellen.

Derzeit gilt es als unwahrscheinlich, dass die AfD bei der Landtagswahl in Thüringen am 1. September 2024 eine absolute Mehrheit erreichen kann. Zudem lehnen alle derzeit im Landtag vertretenen Parteien eine Koalition mit der AfD kategorisch ab. In Umfragen stand die AfD zuletzt in Thüringen vor den Linken und der CDU auf Platz eins - mit Werten zwischen 32 und 34 Prozent.

Im Thüringer Verfassungsschutzbericht 2022 steht, dass der Thüringer AfD-Landesverband seit Jahren Positionen vertrete, «die sich gegen die Menschenwürde, gegen das Demokratie- und gegen das Rechtsstaatsprinzip richten». Eine politische Mäßigung habe nicht stattgefunden. Die «verfassungsfeindlichen Positionen», die sich gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung richteten, gelten laut Inlandsgeheimdienst «als die beherrschende und weitgehend unumstrittene politische Ideologie innerhalb des Landesverbandes».

Die Einstufung könnte bei den Kommunalwahlen noch relevant werden. Das Thüringer Innenministerium verschickte einen Leitfaden für Wahlausschüsse. Demnach sollen sich die Wahlleiter beim Verdacht auf extremistische Kandidaten zügig Informationen beim Verfassungsschutz einholen. Die Entscheidung zur Zulassung oder Nicht-Zulassung eines Kandidaten trifft dann aber der Wahlausschuss.

Hintergrund ist das Thüringer Kommunalwahlgesetz, wonach nicht zum Bürgermeister gewählt werden kann, «wer nicht die Gewähr dafür bietet, dass er jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes und der Landesverfassung eintritt».

Thüringens AfD-Co-Chef Stefan Möller kündigte an, juristisch gegen mögliche abgelehnte Zulassungen von Kandidaten für Kommunalwahlen vorzugehen. «Wir werden klagen. Das wird spannend», sagte der Thüringer AfD-Landessprecher Stefan Möller der Deutschen Presse-Agentur.

In Thüringen wird im kommenden Jahr nicht nur ein neuer Landtag gewählt - vorher stehen noch im Mai und Juni 2024 zahlreiche Kommunalwahlen an.

Im Vorfeld des Landesparteitages hatte der Ausschluss von Journalisten des ARD-Politik-Magazins «Monitor» durch die AfD für Aufregung gesorgt. Nach einem juristischen Hin und Her entschied das Landgericht Erfurt zugunsten der «Monitor»-Journalistinnen und -Journalisten. Die AfD musste ihnen Zugang gewähren, zugleich kündigte Thüringens AfD-Landessprecher Stefan Möller an, weitere juristische Schritte gehen zu wollen. «Damit ist nicht Schluss», sagte er. «Die Frage, ob man Hausrecht hat oder nicht, die möchten wir grundsätzlich geklärt haben.»

In Pfiffelbach hatte das «Compact»-Magazin mit seinem Chefredakteur Jürgen Elsässer beim Parteitag einen eigenen Stand. Im Verfassungsschutzbericht 2022 heißt es, «Compact» verbreite «regelmäßig antisemitische, minderheitenfeindliche, geschichtsrevisionistische und verschwörungsideologische Inhalte». Elsässer war in Pfiffelbach auch vor Ort.

Journalistinnen und Journalisten mussten bei dem Landesparteitag in einem mit einem Band abgetrennten Bereich arbeiten und hatten keinen freien Zugang zur Bühne oder zum Bereich der Delegierten. Ein AfD-Sprecher sagte, das sei eine Schlussfolgerung aus der Gerichtsentscheidung über die Akkreditierung der «Monitor»-Mitarbeiter. Man müsse allen Journalisten die gleichen Arbeitsbedingungen bieten - daher die Absperrung, sagte der AfD-Sprecher. Elsässer hingegen konnte sich frei im Saal bewegen.

© dpa-infocom, dpa:231118-99-993807/3

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