Ein Erntehelfer sticht auf einem Spargelfeld Spargel., © Klaus-Dietmar Gabbert/dpa/Symbolbild
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Saisonkräfte: Zwischen Personalmangel und weniger Bedarf

02.07.2022

Auf dem Arbeitsmarkt für Saisonkräfte in Thüringen herrschen branchenabhängig große Unterschiede. «Wir stehen insgesamt vor einer großen Herausforderung, was das Thema Personal angeht», erklärt der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands Thüringen (Dehoga Thüringen), Dirk Ellinger. Der Mangel an Arbeitskräften reiche von Saisonkräften bis zu Fachpersonal, betroffen seien alle Arbeitsbereiche von der Küche über Reinigung bis zum Hotel- und Restaurantbetrieb. «Ich kenne keinen Kollegen, der nicht auf der Suche nach Personal wäre.»

Grund für die angespannte Situation sei vor allem die ungewisse Entwicklung der Corona-Lage im Herbst. Das Hotel- und Gaststättengewerbe benötige mit Blick auf mögliche neue Einschränkungen in Herbst und Winter dringend klare Perspektiven aus Politik und Verwaltung. Aktuell seien die Gäste im Gastrobereich zurückgekehrt und die Hotels gut ausgebucht. Mancherorts könnten bis zum August keine neuen Gäste angenommen werden.

«Zum September verringern sich die Reservierungen aber deutlich und reißen im Oktober ganz ab», so Ellinger. Unter diesen Voraussetzungen scheuten viele Arbeitnehmer den Einstieg oder Wiedereinstieg in die Branche. Während der Corona-Lockdowns hätten viele deutliche Gehaltseinbußen durch Kurzarbeit und fehlende Einnahmen aus Trinkgeldern hinnehmen oder sich eine neue Tätigkeit suchen müssen. «Wir brauchen deshalb vor allem Perspektiven und klare Vorgaben», fordert Ellinger. Es dürfe möglichst keine weiteren Schließungen geben.

Ganz anders ist die Lage in den landwirtschaftlichen Betrieben: «Meiner Einschätzung nach scheitert es beim Thema Saisonkräfte eher am Bedarf als am Angebot», fasst Simon Horstmann, Branchensekretär Forstwirtschaft und Grüner Bereich der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt zusammen. In der Landwirtschaft seien arbeitsintensive Sorten teils weniger angebaut worden, dadurch sei der Bedarf an Saisonkräften gesunken. Zudem ziehe es immer mehr Saisonkräfte in Branchen mit besseren Arbeitsbedingungen, wie etwa die Logistik oder das Baugewerbe.

Auf dem Spargelhof Kutzleben konnte Geschäftsführer Jan-Niclas Imholze zufolge in der diesjährigen Saison der Bedarf an Saisonarbeitern gedeckt werden. Es sei zu erwarten, dass der beschlossene Mindestlohn von 12 Euro die Nachfrage nach Arbeit in der Landwirtschaft zunächst stabilisieren werde.

Davon geht auch die IG Bauen-Agrar-Umwelt aus: Der Mindestlohn sei «eine zeitgemäße Entscheidung, die in die richtige Richtung geht», so Horstmann. Um die Arbeit attraktiv zu halten, seien aber weitere Anstrengungen nötig: So sorgten unseriöse Vermittlungsangebote für eine hohe Fluktuation, weil leere Versprechungen der Vermittler nicht eingehalten würden. Zudem müsse es mehr Verdienstabrechnungen in der Muttersprache der Beschäftigten geben. Das Arbeitsministerium sieht Nachholbedarf bei der Information der Arbeitskräfte über die ihnen zustehenden Rechte. Das Projekt «Faire Mobilität» soll helfen, Arbeitnehmer aus dem Osten der EU besser zu informieren und zu beraten.

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