Neue Gedenkstätte für deutsch-deutschen Häftlingsfreikauf
Im einstigen Stasi-Gefängnis auf dem Chemnitzer Kaßberg ist ein neuer Lern- und Gedenkort eröffnet worden. Für 4,6 Millionen Euro wurde dazu einer der Hafttrakte umgebaut und eine Dauerausstellung eingerichtet. Sie rückt Leben und Schicksal der dort einst inhaftierten Menschen in den Fokus. «Die neue Gedenkstätte kann dabei helfen, etwas über Diktaturen und den Wert von Freiheit und Demokratie zu erfahren», sagte Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) am Freitag. Er sprach von einem «national bedeutenden Lern- und Gedenkort», an dem Geschichte lebendig bleibe.
Das Gefängnis war im 19. Jahrhundert im Sinne eines humanistischen Strafvollzugs errichtet worden. Später sperrten hier die Nationalsozialisten neben Kriminellen auch politische Häftlinge und anderweitig Ausgegrenzte wie Zeugen Jehovas, Homosexuelle und Juden ein. Nach Kriegsende wurde das Gefängnis erst von den Sowjets genutzt, dann vom Ministerium für Staatssicherheit der DDR. Eine zentrale Rolle spielte es ab den 1960er Jahren beim Freikauf von politischen Häftlingen der DDR durch die Bundesrepublik. Nach der Wiedervereinigung diente der Komplex zunächst weiter dem Strafvollzug, bevor es an einen Investor verkauft wurde.
Auf rund 1000 Quadratmetern Ausstellungsfläche wird nun an die hier Inhaftierten zweier Diktaturen erinnert. «Ich bin überzeugt davon, dass wir - gerade in diesen Zeiten - Orte, die uns den Unterschied zwischen Diktatur und Demokratie vor Augen führen, dringender brauchen denn je», sagte die Beauftragte des Bundestages für SED-Opfer, Evelyn Zupke. Die deutsch-deutsche Grenze sei nicht nur ein Riss durchs Land gewesen. «Die innerdeutsche Grenze war insbesondere ein Riss durch tausende Familien.» Die einst freigekauften Häftlinge hätten zwar ihre Freiheit gewonnen, Familie und Freunde aber zurücklassen müssen, erinnerte Zupke.
Am Eröffnungswochenende lockt die neue Gedenkstätte mit freiem Eintritt. Dann können Interessierte die Dauerausstellung im früheren Hafttrakt B besichtigen. Dazu werden Überblicksführungen angeboten und sind Podiumsdiskussionen geplant, bei denen unter anderem Zeitzeugen über ihre Erfahrungen berichten. Regulär geöffnet hat der neue Lern- und Gedenkort ab 28. Oktober.
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