Benjamin-Immanuel Hoff, Chef der Staatskanzlei und Minister für Kultur von Thüringen., © Martin Schutt/dpa/Archivbild
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CDU und AfD setzen Nein zu gendergerechter Sprache durch

11.11.2022

Landtag, Landesregierung, Behörden, Schulen und Hochschulen in Thüringen sollen nach dem Willen einer knappen Parlamentsmehrheit in ihrer öffentlichen Kommunikation nicht gendern. Diese Forderung setzte die oppositionelle CDU-Landtagfraktion mit einem umstrittenen Antrag durch, der von der in Thüringen vom Verfassungsschutz beobachteten AfD und den Bürgern für Thüringen unterstützt wurde. Der CDU-Antrag, der mit «Gendern? Nein danke» überschrieben war, wurde am späten Donnerstagabend nach einer namentlichen Abstimmung angenommen.

Es wurden von den Abgeordneten 74 Stimmen abgegeben, 38 für den Antrag, 36 dagegen. Die AfD-Abgeordnete Corinna Herold hatte vor der Abstimmung angekündigt, dass ihre Fraktion den CDU-Antrag unterstützen werde.

Nach dpa-Informationen kamen die Stimmen gegen die Nutzung der Gendersprache ausschließlich von CDU und AfD sowie den vier Abgeordneten der Gruppe der Bürger für Thüringen, von denen drei Ex-AfD-Mitglieder sind. Herold nannte das Gendern eine «Sprachverhunzung». Ute Bergner, Sprecherin der Gruppe Bürger für Thüringen, bezeichnete es als «unsinnig» und eine «Unkultur».

Der Linke-Abgeordnete Christian Schaft warf der CDU vor, mit ihrem Antrag gegen die Verwendung einer geschlechtergerechten Sprache Stimmungsmache und einen rechten Kulturkampf zu betreiben, «wie man ihn sonst von der AfD-Fraktion erwarten würde». Die Grünen-Abgeordnete Laura Wahl erklärte: «Der Kardinalfehler, den die CDU-Fraktion leider immer wieder begeht, ist, dass sie denkt, sie könne Wähler*innen von der AfD zurückgewinnen, indem sie AfD-Positionen übernimmt.» Dabei stärke sie damit nur das Original, sagte Wahl.

Kritik kam auch von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW). Die Universität Jena erklärte, sie halte an ihrer Empfehlung zur geschlechtergerechten Sprache fest.

Jeder könnte reden, wie er wolle, erklärte CDU-Fraktionschef Mario Voigt. «In unseren öffentlichen Einrichtungen soll es aber eine klare und verständliche deutsche Sprache geben.» Vize-Fraktionschef Christoph Zippel forderte Landesregierung und Landtagsverwaltung auf, den Beschluss schnellstens umzusetzen.

Die Gruppe der FDP beteiligte sich nicht an der Abstimmung, bestätigte ein Sprecher am Freitag. Die Regierungskoalition von Linke, SPD und Grüne, die den Antrag heftig kritisierte, verfügt über keine eigene Mehrheit im Parlament.

Rot-Rot-Grün hatte mit einem Gegenantrag noch vergeblich versucht, einen Kompromiss mit einer «Selbstverpflichtung zu einer respektvollen Kommunikation» zu finden. Der Landtagsbeschluss sei ein «Schlag ins Gesicht gegen alle Menschen, die sich bemühen, inklusiv zu handeln und auch sprachlich niemanden auszugrenzen», erklärte die GEW. Er stelle eine Missachtung der Menschen dar, die nicht mit der maskulinen Form bezeichnet werden wollen, und sei eine Bevormundung aller im Bildungswesen und im Landesdienst Beschäftigten.

Der CDU-Abgeordnete Zippel hatte den Antrag seiner Fraktion damit begründet, dass nach verschiedenen Umfragen eine Mehrheit der Menschen in Deutschland die «Gendersprache» ablehne, teilweise würde sie als Bevormundung empfunden. Gendersprache sei «ein Eliteprojekt einer kleinen Minderheit», so Zippel. Die SPD-Abgeordnete Cornelia Klisch bezeichnete die gendersensible Sprache als «legitimes Mittel, die Gleichheit der Geschlechter zum Ausdruck zu bringen». Die CDU verkenne, dass sich Sprache ständig weiterentwickle.

Staatskanzleiminister Benjamin-Immanuel Hoff (Linke) sagte, die Landesregierung halte sich an die Regeln, die unter anderem durch Gleichstellungsgesetze oder die Rechtsprechung gesetzt seien. Mit der geschlechtergerechten Sprache sei es wie mit der Frauenquote, so Hoff. «Sie muss erkämpft werden.»

Beim Gendern geht es um einen geschlechterbewussten Sprachgebrauch, der die Gleichbehandlung aller Geschlechter und Identitäten ausdrücken soll. Verwendet werden unter anderem Gendersterne, Doppelpunkte, Unterstriche oder kurze Sprechpausen.

© dpa-infocom, dpa:221111-99-474053/4

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